Mietpreise und Umsätze: Märchenhaft

Sinniger Weise fußt die Unternehmensgründung auf einer eher nüchternen Kosten- und Umsatzplanung. Und selbst nüchtern betrachtet stecken noch genug Unwägbarkeiten in der Sache. Also bedarf es entweder einer aussagefähigen Glaskugel oder, da diese gerade mal wieder nicht greifbar ist, nebst Eigenkapital einer Kombination aus Herzblut mit Enthusiasmus und konservativer Umsatzeinschätzung mit überschaubaren Kosten. Teurer wird es von alleine!

Eine der größeren Kostenpositionen dürften die Mietzahlungen sein. Bei einer wirtschaftlich sinnvoll betriebenen Kaffeebar machen die Netto-Mietkosten rund 10% – 15% des Brutto-Umsatzes aus.  Betrachtet man unter dieser Prämisse einige der jüngst verfügbaren Objekte in Frankfurt, zeichnet sich folgendes Bild:

  • Berger Straße, Ladenlokal, Reihe, ca. 120 qm, Mietpreis zunächst 5.100 EUR, dann 4.800 EUR, dann 3.900 EUR.
    Daraus resultierende Umsatzanforderung monatlich
    34.000 – 51.000 EUR
    32.000 – 48.000 EUR
    26.000 – 39.000 EUR
  • Berger Straße, Gastronomie, Reihe, ca 60 qm (davon 30 qm Gastraum), Pachtpreis 2.000 EUR -> Umsatzanforderung monatlich 13.300 – 20.000 EUR
  • Schweizer Straße, Ladenlokal, Ecklage, ca. 120 qm, Mietpreis EUR 5.000-> Umsatzanforderung monatlich 33.000 – 50.000 EUR
  • Neue Kräme / Paulsplatz, Gastronomie, ca. 120 qm (davon 70 qm Gastraum), Pachtpreis 9.000 EUR -> Umsatzanforderung monatlich 60.000 – 90.000 EUR.

Nun gibt es natürlich außer einer Kaffeebar noch zahlreiche andere Gastronomieformen und auch Einzelhandels- sowie Dienstleistungskonzepte. Ich frage mich allerdings ernsthaft, mit welchem Konzept sich – auch auf der Schweizer oder der unteren Berger Straße – monatlich gemittelt gut 40.000 EUR auf rund 120 qm im gastronomischen Bereich (für den Einzelhandel passen die Zahlen nicht, da der Wareneinsatz höher sein dürfte) umsetzen lassen? Das sind mindestens 1.300 EUR Umsatz Tag für Tag, 365 Mal im Jahr, wenn an 7 Tagen die Woche geöffent ist. Ambitioniert.

Oder der kleinere Gastronomiebetrieb auf der Berger Straße: Einen gemittelten Umsatz von gut 16.000 EUR im Monat oder rund 540 EUR am Tag auf 30 qm zu erwirtschaften, erscheint als echte Herausforderung. Es wundert nicht, dass der Laden nunmehr zum dritten Mal innerhalb eines Jahres angeboten wird, nachdem sich zwei Konzepte offensichtlich nicht lange gehalten haben.

Es wäre sicherlich eine tolle Sache, wenn sich diese Umsätze so erwirtschaften lassen, dass man nicht nur für den Vermieter und das Finanzamt arbeitet oder sich dabei gar noch verschuldet. Bei diesen Mietpreisvorstellungen erscheint mir das jedoch märchenhaft – und Märchen können ja zuweilen ziemlich grausam sein.

Am Rande bemerkt: Gerüchten zufolge kommen in Wiesbaden zwei Gastroomieobjekte in sehr zentraler Lage auf den Markt. Der Pachtpreis soll jeweils nicht unter 11.000 EUR liegen. Und wenn sie nicht gestorben sind …

Hektoliterweise Bier

Oder: Pachtvertrag mit Brauereibindung.

Nachdem der Laden im Nordend an der Stellplatzablöse gescheitert ist, hakte es beim nächsten Objekt an der Brauereibindung.

Von vorne: Inseriert war ein Lokal mit einer etwas bewegten jüngeren Geschichte. Nach 10 Jahren Pacht haben sich die ehemaligen Pächter zerstritten, danach stand das Objekt gut ein Jahr lang leer, seit ein paar Monaten hat es ein neuer Pächter übernommen und will es jetzt wieder los werden. Warum? Weil das Lokal nicht ganz weiß, was es sein will und entsprechend eher unambitioniert daherkommt. Das lässt die Gäste ausbleiben, was wiederum den Wirt frustriert. So dreht sich die Spirale.

Von den Rahmenbedingungen war und ist das Lokal gut: Südlage, Außenbestuhlung, Ecklokal, große Fenster, Stilaltbau, wettbewerblich attraktiv, Lauflage ok.

Zwei Haken hatte die Sache dann doch: Es besteht eine Brauereibindung, und der aktuelle Pächter verlangte eine nicht ganz unerhebliche Ablöse für das Inventar und die geleisteten Renovierungsarbeiten.

Jetzt passierte bei uns, was man wohl am besten als “Gier frißt Hirn” subsumiert: Wider besseres Wissen haben wir den Prozess vorangetrieben und uns sehr (!) intensiv mit dem Thema befasst, obwohl der aktuelle Pächter es geschickt verstanden hat, mit Papieren hinter dem Berg zu halten. Die angehenden Warnlampen haben wir geflissentlich übersehen.

Böser Fehler! Als wir dann endlich mit dem Brauereivertreter an einem Tisch saßen und der Pachtvertrag auf selbigem lag, kam das böse Erwachen:

  • Anstelle der bisher diskutierten 5 Hektoliter Abnahmeverpflichtung für Bier und Wasser waren es plötzlich 80 (also das 16-fache)
  • Die angepriesene Pacht galt nur noch für wenige Monate; danach setzte eine gestaffelte, signifikante Verteuerung ein
  • Das Inventar, für das eine Ablöse gezahlt werden sollte, war zum großen Teil Bestandteil der Pacht
  • Die Brauerei erhielte die Namensrechte an unserer Kaffeebar
  • Von uns angeschafftes Inventar müsste bei Pachtende zu einem abgeschriebenen Wert an die Brauerei verkauft werden
  • Geschäftsführung und Öffnungszeiten, zum Beispiel, wären mitbestimmt

Das waren die wesentlichen Highlights. Somit ist auch das Objekt ausgeschieden und wir sind wieder etwas schlauer: Unterlagen sehr frühzeitig im Prozess, keine Brauereibindung.

Gut für die Erfahrung, schade um die Zeit! Und die Suche geht weiter 🙂

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